Zucht und Auslese gehören in Bauernhand und nicht ins Labor!

von Markus Lanfranchi

Seit dem Beginn der Sesshaftwerdung, züchteten und selektionierten Menschen ihre Nahrung. Dies brachte eine immense Zahl an Rassen und Sorten hervor, jede an die jeweiligen Standorte angepasst. Seit ein paar Jahrzehnten tun dies nun Wissenschaftler in zentralen Laboratorien. Angesichts der Auswüchse dabei müssen wir festhalten, dass dies eine äusserst schlechte Idee ist.
Wir LandhirtInnen können dies auch, sogar besser, da dezentral und standortangepasst.
Ursprüngliche Rassen und Landsorten können wir binnen weniger Jahre zu unseren Gunsten weiterentwickeln, wie es seit je her getan wurde.

Aus reinrassigen Engadinerschafen haben wir in den letzten 25 Jahren ein krankheitsresistentes und trittsicheres Milchschaf gezüchtet, welches sich auch auf mageren Böden und schwierigem Gelände bestens zurechtfindet und dies mit einer ansprechenden Milchleistung und Melkbarkeit beweist.

Begonnen hat unser Zuchtprogramm mit einer kleinrahmigen Aue, die nach einer Zwillingsgeburt die Lämmer nicht akzeptierte und zu Tode trampelte.

Das schwere Euter lud mich trotz Trauer und Wut über dieses Verhalten dazu ein, die Aue zu melken. Das Schaf liess mich gerne machen und am dritten Tag schenkte sie uns bereits knapp einen Liter Milch pro Melkgang.

So begannen wir auch weitere Tiere unserer Herde genauer zu beobachten: nebst Euter und Zitzenform war natürlich auch ein vertrautes soziales Verhalten uns gegenüber von grösster Wichtigkeit. Ich erinnere mich an eine, bei der alles stimmte, nur, dass sie sich nicht melken lassen wollte. Wir nannten sie hinter vorgehaltener Hand «Wildsau»… Unmöglich dieses Tier und auch ihre Nachkommen für unser Projekt «Melkbares Engadinerschaf» zu begeistern.

Unsere ersten Schafmilchprodukte bargen weitere Highlights: bei der Frischkäseherstellung, erreichten wir ausschliesslich mit Heu/Weide und Salz eine sagenhafte Ausbeute von 40%.

Eine äusserst gehaltvolle Milch im Vergleich mit Schafmilch vom Ostfriesischen oder Lacaune.

Wir haben weiter selektioniert zumal die Moderhinke in unserem Tal  grassierte. Demnach züchteten wir auf grossflächige harte Klauen ähnlich denen von Bergziegen. So benahmen sich die Schafe auch zunehmend.

Um die Parasitenresistenz zu fördern, liessen wir die Tiere das ganze Jahr über Stauden und Rinde (im Winter z.B. Obstbaumschnitt oder Äste und Zweige) fressen und züchteten mit den resistentesten Tieren weiter, so dass in unserem Bestand bis heute kaum mehr Krankheit durch Verwurmung auftritt.

Auf unserer Alp liefen unsere Tiere mit einer Herde Lacaune Milchschafen von denen zwei bei unserer Herde blieben. Diese waren schon bedeutend schwächer und bekundeten Mühe mit dem Futterangebot unserer Böden die Milchleistung zu erhalten. Das Eine schaffte die Integration und belohnte unsere Bemühungen mit einer super Nachzucht.

Die Böcke suchten wir stets aus unserem eigenen Bestand aus um die Standortanpassung zu begünstigen. Inzuchtschäden hatten wir zum Glück nie zu beklagen, was wohl daran lag, dass wir immer darauf achteten, die nächsten Verwandten im Zweifel auszusortieren und später das Bocklamm dieser Lacaune Aue x Engadiner Bock mehrere Jahre als Zuchtbock wirken liessen.

Einige Jahre später, ergab es sich, dass ein befreundeter Bauer einen Platz für einen wunderschönen Lacaunebock suchte. Auch dieser diente uns ein paar Jahre wobei wir stets unsere Zuchtziele rigoros weiter verfolgten.

Heute melken wir eine äusserst gesunde Herde robuster Milchschafe welche mit unseren Gegebenheiten eine ansprechende Menge sehr gehaltvoller Milch produzieren, kaum je Symptome von Verwurmung zeigen und zusätzlich gut Fleisch ansetzen. Einfach alles was eines Landhirten Herz begehrt.

Tierzucht, aber auch Pflanzenauslese, sollte meines Erachtens auf jedem Betrieb stattfinden und nicht nach den Zuchtzielen  anderer erfolgen. Wir unterliegen in der gegenwärtigen Zeit dem Irrtum, dass wir Zucht und Selektion den Labors und der Wissenschaft überlassen müssten. Dies erachte ich als grosse Gefahr, als dass wir uns wohl plötzlich in der Situation befinden Sorten und Rassen zur Verfügung zu haben, welche von ortsfremden Gegebenheiten ausgehen und zudem Kostenpflichtig sind. Nicht auszuschliessen ist ferner, dass die Labors und Agrarkonzerne uns standartisierte Genkonstrukte zur Verfügung stellen, welche ihrer Geschäftslogik entsprechen: Pflanzen welche Düngung und Pflanzenschutzmittel benötigen um zu fruchten und Rassen, die nur mit Tiermedizin und Futtermittel erfolgreich zu halten sind.

Behalten wir uns jedoch das Recht vor, aufgrund individueller standortspezifischer  Notwendigkeit die eigenen Sorten entstehen zu lassen und lokale Rassen nach unseren Bedürfnissen zu züchten, entstehen wie seit immer weitere Lokalschläge und Sorten in Äckern und Gärten die innerhalb ihrer Mitwelt Gedeihen und aus welchen die Zukunft entsteht.

Competenze

Postato il

5. Maggio 2024

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